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Seit 1324 Wochenmarkt in Dießen

    Die älteste Urkunde im Marktarchiv Dießen feiert 700. Geburtstag

    Ein unscheinbares Blatt von kaum DIN-A4-Größe, klein zusammengefaltet, ist eines der wertvollsten Dokumente im Marktarchiv Dießen: Der deutsche König Ludwig IV., später bekannt als Kaiser Ludwig der Bayer, verleiht darin dem Markt Dießen das Recht, einen Wochenmarkt abzuhalten. Das ist die Kurzversion des Inhalts, doch dahinter verbirgt sich bei näherem Hinsehen noch viel mehr – auch ein bedeutendes Kapitel der deutschen Geschichte.

    Wir schreiben das Jahr 1324. Seit mittlerweile zehn Jahren streitet sich der römisch-deutsche König Ludwig IV. mit dem ebenfalls zum römisch-deutschen König gewählten Habsburger Friedrich dem Schönen um die Krone. Da er wegen dieser Sache auch im Konflikt mit dem Papst liegt, ist Ludwig seit dem Frühjahr dieses Jahres nun auch noch exkommuniziert – und mit ihm alle, die zu ihm halten. In weiten Teilen Deutschlands herrscht daher Bürgerkrieg, und es gibt weder Gottesdienste noch werden Sakramente gespendet.

    Ludwig versucht in dieser heiklen Lage, Adelige, Geistliche und besonders auch Städte und Märkte auf seine Seite zu ziehen: er benötigt dringend politische und militärische Hilfe. 1322 ist ihm und seinen Verbündeten bei der Schlacht von Mühldorf der entscheidende Sieg über Friedrich gelungen, doch er ist weiterhin auf Unterstützung angewiesen. Zum Dank für ihre Dienste und um sie weiter an sich zu binden, verteilt er Privilegien. Der Markt Dießen hat ihn offenbar tatkräftig unterstützt, denn „durch dienst, die vns die bescheiden laeute die Gemain der purger zuo Dyessen getan habent“ erhalten sie 1324 das Recht, „alle Wochen einen Margt zehaben an dem Erttage“ – jeden Dienstag einen Wochenmarkt abzuhalten. Das war in der damaligen Zeit ein seltenes Privileg und für die Entwicklung des Ortes maßgeblich. Daher wurde die Urkunde, die aus so chaotischen Zeiten stammte, über die Jahrhunderte hinweg sorgfältig aufbewahrt.

    Doch das Dokument verrät uns noch etwas anderes: Es ist nicht, wie im Mittelalter ursprünglich üblich, in lateinischer, sondern in gut verständlicher deutscher Sprache verfasst. Das kommt einerseits den angesprochenen Bürgern entgegen, da sie den Inhalt ohne Übersetzung verstehen konnten und eine emotionale Nähe zwischen dem König und seinen Verbündeten erzeugt wurde. Es ist andererseits auch ein Zeichen der Zeit – die deutsche Sprache ist im Spätmittelalter endlich auch für juristische Texte tauglich und löst allmählich das gelehrte Latein ab. Nach und nach entwickelt sich so in den fürstlichen Kanzleien die neuhochdeutsche Sprache. Unsere Urkunde steht noch am Anfang dieses Prozesses: „chunich“ für „König“, „habent“ für „haben“ und „Rich“ für „Reich“ sind noch eindeutig spätmittelhochdeutsche Wortformen, die es im heutigen Hochdeutsch nicht mehr gibt.

    Das kleine Blatt mit zehn Zeilen Text ist daher nicht nur wegen seines hohen Alters bedeutend, sondern erzählt auch eine Menge über den Ort Dießen, Ludwig den Bayern und die damaligen Verhältnisse in Deutschland und Europa. Es wurde von der königlichen Kanzlei ausgefertigt „an vnser frawen tage als si verschiet“ – also am 15. August, Mariä Himmelfahrt, im Jahr 1324. Ein Foto und den ganzen Text als Transkription finden Sie hier: Die Anfänge von Dießen.

    Wünschen wir der Urkunde alles Gute zum Geburtstag, und dass sie sich weiterhin so gut erhält!

     

     

    Markt Dießen 1324 bekam Dießen das Recht, einen Wochenmarkt abzuhalten
    Fotosammlung Elisabeth Jaschhof Markttag in Dießen - Hier ein Bild vom Bartholomäusmarkt 1929
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